Ein Einblick in das Nachhaltigkeits­management der deutschen Wirtschaft

Lesedauer ca. 5 Minuten

Die Relevanz des Themas Nachhaltigkeit

Die letzten Jahre waren geprägt von multiplen Krisen, in denen es für viele Unternehmen oft nur um das pure wirtschaftliche Überleben ging. Welche Rolle kann Nachhaltigkeit in solchen Zeiten überhaupt spielen?

Aus diesem Grund wurden die Teilnehmenden des STM zuerst befragt, wie sich die Wichtigkeit des Themas Nachhaltigkeit ich ihrer Organisation im letzten Jahr entwickelt hat. Wie sich aus der unteren Abbildung erkennen lässt, gab die Mehrheit der Befragen aus Real- und Finanzwirtschaft an, dass das Thema im letzten Jahr entweder „eher wichtiger“ (RW=41%; FW=39,4% der Befragten) oder sogar “viel wichtiger” (RW=42,9%; FW=34% der Befragten) geworden ist.

Verankerung von Nachhaltigkeit in allen Bereichen

Trotz der großen Herausforderungen in anderen Bereichen steht das Thema für die Unternehmen immer noch ganz oben auf der Prioritätenliste. Aber wie steht es bei der Verankerung des Themas in den Unternehmen?

Die Teilnehmenden wurden als nächstes gefragt, inwiefern Nachhaltigkeit in allen Bereichen ihrer Organisation verankert ist. Hier zeigt sich, dass es hinsichtlich der Verankerung offensichtlich noch einige Variation in den Organisationen der Real- sowie auch der Finanzwirtschaft gibt. Nur eine kleine Gruppe der Befragten gab an, dass Nachhaltigkeit in ihrer Organisation in allen Bereichen „voll und ganz verankert“ ist (RW=9 Prozent; FW=8,4 Prozent). Die Mehrheit der Befragten gab an, dass Nachhaltigkeit nur „teilweise verankert“ (RW=35,1 Prozent; FW=38.8 Prozent) oder „eher verankert“ (RW=36,9 Prozent, FW=31,3 Prozent) ist. Circa 15 Prozent der Befragten in beiden Stichproben gaben sogar an, dass Nachhaltigkeit in ihren Organisationen „eher nicht“ in allen Bereichen verankert ist.

Purpose: Eine höhere Zielsetzung über Profit hinaus

Im Zuge der gestiegenen Stakeholder-Erwartungen und der stärkeren öffentlichen Diskussion um die Rolle der Unternehmen in der Gesellschaft haben viele Unternehmen in den letzten Jahren sogenannte „Purpose Statements“, d. h. Statements über ihren Unternehmenszweck über die reine Profitmaximierung hinaus, definiert. In unserer Befragung haben wir die Teilnehmenden gefragt, ob ihre Organisation ein solches Purpose Statement für sich definiert hat. Während in der Realwirtschaft 39,2 Prozent der Befragten diese Frage mit „Ja“ beantworteten, waren es in der Finanzwirtschaft nur 25,1 Prozent. Über die reine Existenz eines solchen Purpose Statements hinaus gibt es in Wissenschaft und Praxis aktuell eine rege Diskussion um die Frage, inwiefern die Unternehmen es schaffen, die Absichtserklärungen über eine höhere Zielsetzung auch in Taten umzusetzen (Stichwort: „Bringing Purpose to Life“). Um dies zu erfassen, haben wir die Teilnehmenden, die die Frage nach dem Purpose mit einem „Ja“ beantwortet haben, gefragt, wie ihrer Meinung nach das Purpose Statement in ihrer Organisation auch aktiv gelebt wird.

Hierbei zeigt sich, dass es tatsächlich eine Mehrheit von Befragten in beiden Welten gibt, die angibt, dass die Purpose Statements entweder nur „teilweise gelebt“ (RW=32,1 Prozent; FW=37,8 Prozent) oder „eher gelebt“ (RW=34,6 Prozent, FW=34,1 Prozent) werden. Nur eine kleine Gruppe der Befragten (RW=13 Prozent, FW=4,9 Prozent) gibt an, dass die Purpose Statements in ihren Organisationen „voll und ganz“ gelebt werden. Ungefähr 11 Prozent der Befragten in beiden Stichproben geben an, dass das Purpose Statement in ihrer Organisation überhaupt nicht aktiv gelebt wird (siehe untere Abbildung).

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Aufhängung von Nachhaltigkeit in der Organisation

Studien haben in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass das Thema Nachhaltigkeit in vielen Organisationen mehr ins Zentrum der Unternehmenssteuerung gerückt ist. Dies zeigt sich oft daran, wie und wo das Thema aufgehängt ist. Die Teilnehmenden wurden daher gefragt, in welchem Bereich das Thema Nachhaltigkeit in ihrer Organisation verortet ist.

Die Ergebnisse zeigen, dass das Thema Nachhaltigkeit tatsächlich in einer Mehrheit der Organisationen direkt bei der Geschäftsführung bzw. beim Vorstand verortet ist (RW=57,5 Prozent; FW=49,5 Prozent der Befragten). Die beiden direkt folgenden Kategorien sind in beiden Stichproben „Nachhaltigkeitsabteilung“ und „Strategie“. Die untere Abbildung veranschaulicht diese Häufigkeiten und unterstreicht auch die hohe Relevanz, die dem Thema mittlerweile durch die Unternehmen zugemessen wird.

Klimaschutzziele

In den letzten Jahren sind die Auswirkungen der Klimakrise auf Menschen und Planet immer sichtbarer und direkter spürbar geworden. Alle Formen von Organisationen stehen unter erhöhtem Druck, ihre Auswirkungen auf das Klima sowie ihre Anstrengungen zum Klimaschutz auf den Prüfstand zu stellen. In diesem Zuge formulieren viele Organisationen Klimaziele (z. B. „Net Zero Goals“, „Climate Pledges“ etc.). Hinsichtlich der Art der Ziele und ihrer Überprüfbarkeit weisen aktuelle Studien allerdings darauf hin, dass es noch zu wenig Standardisierung gibt und Organisationen einen großen Spielraum haben, Greenwashing zu betreiben. In unserer Studie haben wir die Teilnehmenden gefragt, ob sich ihre Organisationen Klimaziele gesetzt haben, die im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen sind.

Wie sich aus der unteren Abbildung erkennen lässt, gab eine Mehrheit der Befragten an, dass solche Ziele aktuell in Vorbereitung sind (RW=42,9 Prozent; FW=33,2 Prozent). 32,5 Prozent der Befragten in der Realwirtschaft und 24,2 Prozent der Befragten in der Finanzwirtschaft gaben an, dass ihre Organisationen bereits solche Ziele gesetzt haben.

In der Realwirtschaft nutzen dabei 60,4 Prozent der Unternehmen laut Aussage der Befragten den Greenhouse Gas Protocol Standard, wohingegen dies in der Finanzwirtschaft nur bei 37,3 Prozent der Befragten der Fall ist.

Dimensionen der Nachhaltigkeit und Aufholbedarf

Mit einem besonderen Fokus auf die Realwirtschaft hat uns interessiert, bei welchen Nachhaltigkeitsthemen in den Unternehmen der höchste Handlungsbedarf gesehen wird. Die Teilnehmenden wurden gefragt, wie wichtig bestimmte Themen aus dem Themenspektrum ESG für die Nachhaltigkeitstransformation ihrer Organisation in den nächsten sind und wie fortgeschritten die Unternehmen bei der Umsetzung bereits sind.

Im Bereich der Ökologie gaben die Befragten an, die größte Wichtigkeit bei den Themen „Klimaschutz/Dekarbonisierung“, „Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Abfallvermeidung und Recycling“, „Vermeidung/Verhinderung von Umweltverschmutzung“, „Anpassung an die Klimakrise“ sowie „Schutz gesunder Ökosysteme und Biodiversität“ zu sehen. Den größten Aufholbedarf (Auseinanderfallen von Wichtigkeit und Fortschritt) kann man bei den Themen „Klimaschutz/Dekarbonisierung“, „Anpassung an die Klimakrise“ sowie „Schutz gesunder Ökosysteme und Biodiversität“ beobachten (siehe untere Abbildung).

Im Bereich der sozialen Nachhaltigkeit sind die Themen mit der höchsten wahrgenommenen Wichtigkeit „Wohlbefinden von Arbeitnehmer:innen (Health & Work-Life Balance)“, „Weiterbildung der Arbeitnehmer:innen“, „faire Vergütung der Arbeitnehmer:innen“, „Einbindung und Teilhabe von Arbeitnehmer:innen“ sowie „Rechte und Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmer:innen in der Wertschöpfungskette“. Der Aufholbedarf wird hier bei den Themen „Wohlbefinden von Arbeitnehmer:innen (Health & Work-Life Balance)“, „Weiterbildung der Arbeitnehmer:innen“ sowie „Rechte und Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmer:innen in der Wertschöpfungskette“ als eher hoch wahrgenommen (siehe untere Abbildung).

Im Bereich der Governance von Unternehmen stellen die Themen „Klare Definition von Nachhaltigkeitszielen (KPIs)“, „Standards für gute und nachhaltige Unternehmensführung“, „Überprüfung der Zielerreichung (interne Kontrolle)“, „Risikomanagement für Share- und Stakeholder (Risikobewertung, Methodik, Umfang)“ sowie „Compliance Management“ die Dimensionen mit der höchsten wahrgenommenen Wichtigkeit dar. Insbesondere bei den beiden Dimensionen „Klare Definition von Nachhaltigkeitszielen (KPIs)“ und „Überprüfung der Zielerreichung (interne Kontrolle)“ sehen die Befragten einen sehr hohen Aufholbedarf, wie die untere Abbildung veranschaulicht.

Das Thema Nachhaltigkeit ist stark in Bewegung.

Der erste Teil der Befragung des STM hat klar gezeigt, dass Nachhaltigkeit in den Unternehmen im letzten Jahr tendenzielle wichtiger geworden ist. Es findet im Kern der Unternehmenssteuerung statt und es erfährt Aufmerksamkeit durch den Vorstand. Viele Unternehmen setzen sich Ziele und sprechen über ihre höhere Zielsetzung über die Profitmaximierung hinaus.

Bei der Umsetzung des nachhaltigen Wirtschaftens kann man aus den Ergebnissen der Befragung aber noch Potenzial zur Entwicklung ablesen, denn Nachhaltigkeit ist nicht in allen Unternehmen schon in der Breite verankert. Viele Unternehmen haben außerdem Probleme damit, klare Ziele zu definieren, diese in interne Prozesse zu übersetzen und eine Kultur der Nachhaltigkeit zu entwickeln, die vollkommen gelebt wird. Es besteht also ein klarer Handlungsbedarf!

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