Hinführung und Hintergrund

Lesedauer ca. 5 Minuten

In diesem Abschnitt können Sie mehr über den Sustainability Transformation Monitor (STM), den globalen Kontext und unsere Zielsetzung erfahren.

Der Sustainability Transformation Monitor

Die nächsten zehn Jahre sind entscheidend, in welcher Zukunft wir leben werden! Die Naturwissenschaft hat Kipppunkte identifiziert, deren Überschreitung zu unumkehrbaren Veränderungen der Rahmenbedingungen führen, die unserer Existenz zugrunde liegen: „Wir sind auf die Natur angewiesen, sie aber nicht auf uns“ (Der Spiegel 2022, Nr. 52: S. 22).

Die regulative Architektur der Europäischen Union für eine nachhaltigere Wirtschaft, der European Green Deal, wird mit der sukzessiven Überführung in nationales Recht ab jetzt und in den kommenden Jahren Wirkung erzielen – und diese Nachhaltigkeitstransformation der Wirtschaft wollen wir mit dem STM erforschen.

Der STM wird dazu über die nächsten Jahre zwei Aspekte besonders in den Blick nehmen. Wir fokussieren einerseits auf die Transformation innerhalb der Unternehmen der Real- und Finanzwirtschaft und andererseits auf das Zusammenspiel beider Welten. Wir identifizieren Treiber und Hemmnisse des Strukturwandels, machen den Einfluss von bestehender und möglicher zukünftiger Regulierung sichtbar und wollen Trends und Veränderungen im Nachhaltigkeitsmanagement transparent machen. Dies alles tun wir vor dem Hintergrund der drängenden Frage, ob die Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen, die Ressourceneinsätze und die Impacts auf Umwelt und Gesellschaft wirklich nachhaltiger werden – ob es also Veränderungen in den Kerngeschäften gibt und sich zunehmend nachhaltige Geschäftsmodelle im Wettbewerb durchsetzen.

Entlang der Verzahnung von Real- und Finanzwirtschaft stellen wir Fragen nach der Verbindung und Interaktion beider Welten. Es geht uns darum, den Einfluss von gezielter Transformationsfinanzierung – also der Finanzierung, die an die nachhaltige Entwicklung von Geschäftsmodellen geknüpft ist – sichtbar und messbar zu machen. Dabei werden die Perspektiven von allen beteiligten Anspruchsgruppen aus Real- und Finanzwirtschaft berücksichtigt. Wie läuft die Interaktion zwischen beiden Welten genau ab? Unterstützen die neuen Berichterstattungspflichten dabei, privates und öffentliches Kapital in nachhaltigere Projekte und Geschäftsmodelle zu lenken? Welche Wirkung zeitigen Klassifikationsinstrumente, Transparenzpflichten und Standardisierung in den nächsten Jahren und entwickeln sie die angestrebte Transformationswirkung?

Um diese Fragen empirisch zu untersuchen befragen wir Akteur:innen aus der Real- und der Finanzwirtschaft und werden so einen Blick in den “Maschinenraum” der Nachhaltigkeitstransformation. Wir fangen mit unserer Befragung die Wahrnehmungen derjenigen ein, die die Nachhaltigkeitstransformation in den Unternehmen gestalten und mit der Komplexität der Umsetzung zu kämpfen haben. Um diesem Ziel gerecht zu werden, haben wir zwei Fragebögen entwickelt, die auf die Besonderheiten der beiden Zielgruppen (Real -und Finanzwirtschaft) eingehen,. Gleichzeitig wurden die in den beiden Fragebögen enthaltenen Fragen im Sinne einer „Schlüssel-Schloss-Logik“ gespiegelt, umso die Verzahnung beider Welten transparent zu machen.

Dementsprechend ist die Trennung von Real- und Finanzwirtschaft innerhalb des Befragungsdesigns nicht mit dem Ziel erfolgt, eine Wettbewerbssituation zu suggerieren (“Wer ist weiter bei der Transformation?”), sondern um entlang einer Schlüssel-Schloss-Logik das konkrete Ineinandergreifen der beiden Bereiche der Wirtschaft abzubilden und Aussagen bezüglich des Entwicklungsstandes der Verzahnung treffen zu können.

Ich sehe im STM ein großes Potential, zur Nachhaltigkeits­transformation in der Wirtschaft beizutragen.

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Globaler Kontext und Zielsetzung

Die multiplen Krisen der vergangenen Jahre zeigen beispiellos die Verflochtenheit der ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimension unserer wirtschaftlichen Wertschöpfung auf. Nur wenn es uns gelingt, sie dauerhaft miteinander in Einklang zu bringen, sind wir als globale Gesellschaft zukunfts- und damit überlebensfähig. Die COVID 19-Pandemie, die voranschreitende Klimakrise und der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine mit ihren jeweiligen sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Folgen, lassen keinen Zweifel daran, dass ein grundlegendes Umdenken notwendig ist.

In Sharm-El-Sheik im November 2022 und in Montreal im Dezember 2022 wurden globale Übereinkommen getroffen, die zwei der wesentlichsten Themen betreffen, die unsere Zukunft maßgeblich prägen werden – den Klimawandel und den Rückgang der Biodiversität. Auch wenn es unterschiedliche Interessen der Staaten und eine kontroverse Diskussion über das Erreichte gibt, der Konsens über die Richtung, in die wir uns gemeinsam bewegen sollten, konnte bei beiden Konferenzen gewahrt werden.

Die regulative Dynamik im Nachhaltigkeitsbereich nimmt mit einem Bündel an Maßnahmen in der Europäischen Union weiter Fahrt auf. Der European Green Deal hat zum Ziel, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen, ökonomisches Wachstum und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln sowie allen Menschen Teilhabechancen zu bieten. Verschiedene politische Instrumente in unterschiedlichen Sektoren und gesellschaftlichen und ökologischen Bereichen sollen die Zielerreichung sicherstellten. Für die Wirtschaft sollen ökologische, soziale und Governance-Aspekte in Unternehmen handlungsleitender werden, als sie dies in der Vergangenheit waren. Die Verabschiedung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) durch das Europäische Parlament am 10. November 2022 markiert eine Zeitenwende bezüglich der Relevanz dieser ökologischen, sozialen und Governance-Aspekte für die Wirtschaft. Der Kreis der Unternehmen, die Daten zu verschiedenen ESG-Themen bereitstellen müssen, erweitert sich sukzessive auf geschätzte 50.000 Unternehmen europaweit, ab 2026 werden auch kleinere Unternehmen berichten. Die Datentiefe nimmt zu, ebenso die Validierungsmechanismen.

Die CSRD ist jedoch weit mehr als ein neuer Standard für die Berichterstattung über nachhaltige Aspekte der Unternehmensführung. Sie ist Teil einer regulativen Architektur für Unternehmen, um die ökologischen und gesellschaftlichen Aspekte der Unternehmensführung zu erfassen, zu managen und steuerungsrelevant zu machen. Denn sie vereint verschiedene Ansätze, wie wirtschaftliche Aktivitäten und gesellschaftspolitische Ziele in Einklang gebracht werden. So werden dort die EU Climate Transition Benchmarks berücksichtigt, die Capital Requirement Regulation (CRR), das EU Emissions Trading Scheme zur Bepreisung von CO² sowie verschiedene globale Standards wie die Vorgaben der Global Reporting integriert. Auch spezielle Ansätze wie die EU Whistleblowing Directive finden in den Governance- und Social-Standards Anwendung (vgl. EFRAG 2022: Draft European Sustainability Reporting Standards, Explanatory note article 29b).

Nahezu gleichzeitig wird mit der EU-Taxonomy ein Klassifikationsinstrument eingeführt, das bestimmte Geschäftstätigkeiten als nachhaltig einstuft und diese als Investitionsobjekt für privates Kapital attraktiver machen soll. Ergänzt wird dieses Bündel an regulativen Maßnahmen durch die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), die wiederum Finanzinstituten vorgibt, darüber Auskunft zu geben, inwiefern sie Nachhaltigkeitsfaktoren in den Entscheidungsprozess für Finanzprodukte einbeziehen und welche Wirkung diese Produkte haben.

Dieses Bündel an regulativen Maßnahmen soll die Transparenz bei Unternehmen bezüglich ökologischen, sozialen und Governance-Faktoren erhöhen und diejenigen Daten von Unternehmen einfordern, auf Basis derer die Finanzwirtschaft nachhaltigere Investitionsentscheidungen treffen kann. Eine Standardisierung der Berichterstattung sowie qualitativ bessere Daten erleichtern die Vergleichbarkeit und werden als Ausgangspunkt für die Kanalisierung von privatem Kapital in nachhaltigere Geschäftsmodelle – also für die Transformationsfinanzierung – gesehen. Die Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsaspekten der Unternehmenssteuerung entfaltet ihre volle Wirkung dann, wenn die Instrumente aufeinander abgestimmt werden, nur im Zusammenspiel werden die anvisierten Effekte für die Transformation der Realwirtschaft erreicht.

Dies ist der Grund, warum wir nach der ersten Erhebung der Treiber und Hemmnisse der Nachhaltigkeitstransformation in der Realwirtschaft im Jahr 2021 von jetzt an beide Welten, die Finanzwirtschaft und die Realwirtschaft mit einem eigenen Panel über die nächsten Jahre untersuchen werden. Ziel des Sustainability Transformation Monitors ist die Analyse des Status-Quo der Nachhaltigkeitstransformation der Wirtschaft – wo stehen die Unternehmen? Darüber hinaus schaffen wir Evidenz zur Verzahnung von Real- und Finanzwirtschaft, indem wir fragen, was gut läuft, was gelingt, aber auch an welchen Stellen es hakt? Dem Gesetzgeber wollen wir die empirische Rückmeldung zur Wirkung verschiedener regulativer Ansätze geben: was zeigt Wirkung, aber auch, wo gibt es eventuell Bedarf einer Nachjustierung? Und den Unternehmen wollen wir einen Benchmark zur Selbsteinschätzung bieten: wo stehe ich als Unternehmen, wo stehen die anderen und wie gehen andere mit neuen Anforderungen und gesellschaftlichen Trends um?

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